Testbild für Objektivtests
Hier beschreibe ich, welches Testbild – Testchart, Testdiagramm, Testgrafik – ich für meine Objektivtests aktuell benutze. Vorher gehe ich auf die Grundlagen ein.
Grundlagen für einen Test
Als wichtige Grundlagen für einen Test fallen mir spontan ein:
- Quantifizierbar: Der Test sollte die zu prüfende Eigenschaft quantitativ bewerten können. Nur so kann ich eine Aussage über die "absolute" Qualität treffen und unterschiedliche Testexemplare miteinander vergleichen.
- Jederzeit reproduzierbar: Jeder muss den Test auf die gleiche Weise durchführen können – jeder einschließlich mir zu einem späteren Zeitpunkt. Dabei sollten im Idealfall die Ergebnisse gleich sein, wenn das gleiche Testexemplar benutzt wird.
- Störfaktoren minimal: Alles, was das Testergebnis negativ beeinflussen kann, sollte vermieden werden, bei Objektivtests:
- Es sollte kein Aufzeichnungsmaterial erforderlich sein, kein Sensor oder Film. Wir "Amateure" sind in der Regel darauf angewiesen. Ein Sensor oder Film taugt nicht zur Bewertung eines Objektivs, falls dessen Auflösungsvermögen und/oder Kontrastwiedergabe schlechter sind als jene des Objektivs.
- Es sollte kein Streulicht ins Objektiv fallen
- Die Testvorlage muss eben und parallel zum Messgerät (Sensor) ausgerichtet sein
- Während der Messung (Belichtung) dürfen sich weder das Messgerät (Sensor) noch die Testvorlage bewegen (keine Erschütterungen, Verwacklungen)
- Die Entfernung muss exakt eingestellt sein. Andernfalls ist das Bild wegen fehlerhaften Vorgehens nicht maximal scharf.
- Präzises Einhalten des Testprotokolls: Erst einmal ist genau zu beschreiben, wie vorgegangen werden soll (Testprotokoll) und dies ist exakt einzuhalten. Das betrifft sowohl die Durchführung als auch die Auswertung.
- Sorgfältige Dokumentation. Alle Schritte während des Tests und der Auswertung sollten schriftlich festgehalten werden.
Welche Objektiveigenschaften teste ich?
Ich teste quantitativ das Auflösungsvermögen. Dies besagt, wie nahe zwei unterschiedliche Objektdetails voneinander entfernt sein dürfen, damit diese vom Objektiv noch getrennt abgebildet werden. In der Praxis benutzt man hierfür Testvorlagen mit schwarzen Strichen auf weißem Grund. Dabei bildet sich ein Muster aus schwarzen und weißen Linien. Je eine gleich breite schwarze und weiße Linie ergeben ein Linienpaar. Folgende Abbildung verdeutlicht das.
Abbildung: Linienpaare. Je eine schwarze und weiße Linie bilden ein Linienpaar. Beide Linien eines Paars sind gleich breit.
Die Vorlage hat Linienpaare mit zunehmend geringeren Abständen (Linienbreiten). Mit Hilfe des Testbilds lässt sich sagen, wie hoch die Auflösung des Objektivs ist: Es ist die Anzahl der Linienpaare, die noch getrennt abgebildet werden. Gängige Werte sind 100 Linienpaare pro Millimeter und mehr.
Es ist der Abbildungsmaßstab einzuberechnen. Dieser ist das Verhältnis aus Bildgröße zu Gegenstandsgröße. Wird 1 Meter auf dem Bild 1 Zentimeter lang abgebildet, ist der Abbildungsmaßstab 1 cm durch 100 cm = 1:100 = 0,01. Die Linienpaar-Anzahl auf der Testvorlage ist mit dem Kehrwert des Abbildungsmaßstabs zu multiplizieren. Ist der Abbildungsmaßstab beispielsweise 1:100 und auf dem Bild der Vorlage sind jene Linien gerade noch getrennt erkennbar, die auf auf der Vorlage selbst 1 mm entfernt sind, so ist die Auflösung von 1 Linienpaar pro Millimeter (Lp/mm) mit 100 zu multiplizieren. Das Ergebnis ist 1 Lp/mm × 100 = 100 Lp/mm. Das Objektiv löst somit 100 Linienpaare pro Millimeter auf.
Weitere wichtige Eigenschaften eines Objektivs lasse ich außen vor, da eine quantitative Bewertung schwieriger ist: Verzeichnung, Vignettierung, Chromatische Aberration, Kontrastwiedergabe.
Professionelle Tests kombinieren das Auflösungsvermögen mit der Kontrastwiedergabe, da ein Objektiv mit höherem Auflösungsvermögen als unschärfer wahrgenommen werden kann als eines mit niedrigerem, jedoch mit besserer Kontrastwiedergabe. Ich erwähne hier nur den Fachbegriff und gehe nicht näher darauf ein: Es ist die Modulationsübertragungsfunktion, kurz MTF (Modulation Transfer Function).
Auflösungsvermögen mit einem Testchart bestimmen
Auf der Suche nach einem Testchart, das ich selbst ausdrucken kann, wurde ich fündig: 1951 USAF resolution test chart (Wikipedia). Trotz seiner etwas unheimlichen Herkunft benutze ich es, da es mir praktikabler erscheint als beispielsweise der Siemensstern. In dem hier verlinkten Wikipedia-Eintrag ist der Link zum Diagramm sowie eine genauere Erklärung. Ich gehe hier nur kurz darauf ein.
Abbildung: 1951 USAF resolution test chart. Dieses Chart gibt es als PDF zum selbst Ausdrucken, siehe Wikipedia-Eintrag.
Das Testchart besteht aus sogenannten Gruppen zu je 6 Elementen, die innerhalb der Gruppe immer kleiner werden, je höher die Elementzahl ist. Ein Element hat je drei horizontale und vertikale schwarze Linien, die mit dem weißen Grund Linienpaare bilden. Anhand der Gruppenzahl und Elementzahl lässt sich genau sagen, wieviele Linienpaare pro Millimeter ein Element enthält.
Abbildung: Gruppen und Elemente im Testchart. Gelblich hinterlegt ist die Gruppe -2 – jede Gruppenzahl steht oberhalb einer Gruppe. Die Gruppe -1 ist bläulich hinterlegt. In der Gruppe -4 (nicht beschriftet) ist das Element 5 grünlich hinterlegt. Bei ungeraden Zahlen stehen alle 6 Elemente untereinander, bei geraden ist das erste Element nach rechts versetzt hinter dem sechsten.
Je größer die Gruppenzahl und Elementzahl innerhalb der Gruppe ist, desto mehr Linienpaare pro Millimeter hat das Chart dort und umso größer muss die Auflösung des Objektivs sein, damit es diese noch getrennt wiedergeben kann. Die Auflösung des Objektivs errechnet sich aus den Linienpaaren pro Millimeter des Elements multipliziert mit dem Kehrwert des Abbildungsmaßstabs.
Der Abbildungsmaßstab kann aus Entfernung und Brennweite berechnet werden. In der "Amateur-Praxis" kann weder die Entfernung hoch präzise gemessen werden noch die Brennweite, da diese selbst bei Festbrennweiten variabel sein kann aufgrund der Innenfokussierung, ganz abgesehen davon, dass es bei der Fertigung sicherlich Toleranzen gibt, sodass die aufgedruckte Brennweite nicht exakt die reale sein könnte. Deshalb messe ich die Pixelzahl einer bekannten Länge parallel zur längeren Sensorseite. Diese Pixelanzahl durch die Pixelanzahl der unbeschnittenen Längsseite (kein Crop) multipliziert mit der Längsseite des Sensors in Millimeter ist die Abbildungsgröße in mm. Konkret nehme ich dazu die Länge des DIN A4-Blatts in der Bildmitte, auf dem das Chart gedruckt ist. Beispiel: Die Längsseite des Blatts mit dem Chart seien 583 Pixel. Das Bild hat eine Länge von 4640 Pixel, der Sensor ist 17,3 mm lang. 583px/4640px × 17,3 mm ≈ 2,17 mm. Das Blatt wird 2,17 mm lang abgebildet. In "echt" ist das DIN A4-Blatt 297 mm lang. Der Abbildungsmaßstab ist Bildgröße/Gegenstandsgröße = 2,17 mm/297 mm, der Kehrwert des Abbildungsmaßstabs ist 297 mm/2,17 mm ≈136,87 (Abbildungsmaßstab 1:136,87). Mit dieser Zahl multipliziere ich die Linienpaare pro Millimeter auf dem Ausdruck jenes Elements, bei dem die horizontalen und vertikalen Balken gerade noch getrennt wahrgenommen werden und habe so die Auflösung. Ist beispielsweise das Element 4 in der Gruppe -1 noch aufgelöst, ergibt das 0,707 × 136,87 ≈ 97 Linienpaare pro mm.
Gruppe | Element 1 | Element 2 | Element 3 | Element 4 | Element 5 | Element 6 |
---|---|---|---|---|---|---|
-2 | 0,250 | 0,281 | 0,315 | 0,354 | 0,397 | 0,445 |
-1 | 0,500 | 0,561 | 0,629 | 0,707 | 0,794 | 0,891 |
0 | 1,00 | 1,12 | 1,26 | 1,41 | 1,59 | 1,78 |
1 | 2,00 | 2,24 | 2,52 | 2,83 | 3,17 | 3,56 |
Bei Ausdruck mit 600 DPI ist die kleinste noch aufgelöste Gruppe 1. Das reicht aus, sofern das Blatt mit einem ausreichend kleinen Abbildungsmaßstab fotografiert wird. Nach meinen Erfahrungen sind Abbildungsmaßstäbe von 1:100 ausreichend bei einem Micro Four Thirds-Sensor. Werden alle Elemente der Gruppe 1 noch getrennt wiedergegeben, lässt sich die genaue Auflösung nicht mehr bestimmen (wobei mein beinahe 20 Jahre alter Laserdrucker bis zu Element 2 der Gruppe 2 auflöst, das heißt 2 Elemente mit höherer Linienfrequenz mehr).
Das Testchart geht bis zu Gruppe 7. Die Linienpaare pro Millimeter werden so berechnet: 2Gruppe+(Element-1)/6. Um alle Elemente in der Vorlage zu haben, wäre die erforderliche Auflösung von 27+(6-1)/6 = 27+5/6 ≈ 228 Lp/mm. Für eine Abbildung von 228 Linienpaaren auf 1 mm wäre schon ein anderes Verfahren erforderlich als der Ausdruck auf Papier. Die Gruppe 7 sah ich in keinem PDF-Viewer bei Maximalvergrößerung. Erst das Öffnen und Konvertieren nach SVG mit Inkscape ermöglichte das. Dort ist auch gut zu erkennen, wie viele Millimeter die Balken messen und wie weit diese voneinander entfernt sind.
Da die Auflösung nicht über das gesamte Bild gleich ist, habe ich ein Chart ungefähr in der Bildmitte und nahe jeder Ecke eines, das heißt, insgesamt 5 Testcharts. Diese fotografiere ich mit offener Blende und dann jeweils mit um eine Stufe geschlossener Blende.
Abbildung: Typischer Testaufbau. 5 Charts an einem Garagentor.
Mehr zur Durchführung von Objektivtests habe ich im Artikel "Vorgehen bei Objektivtests" geschrieben. Abgesehen von einigen positiven Ausnahmen finde ich das Vorgehen einiger Tester, die ich im WWW auffand, kaum brauchbar. In besseren Fällen werden die Rücken von Büchern in Bücherregalen fotografiert. Hier ist weder die Bedingung gegeben, dass das Testobjekt eine Ebene bildet (Buchrücken sind meist mehr oder weniger gekrümmt und es ist eher selten, dass diese alle auf exakt der gleichen Höhe stehen) noch dass man hier auf die Auflösung schließen kann. Im ungünstigsten Falle werden dreidimensionale Objekte frei aus der Hand fotografiert, beispielsweise Laubbäume. Neben der Verwacklung durch die Hände können die Blätter durch den Wind bewegt werden.
Auch meine Tests könnten besser sein, beispielsweise in einem abgedunkelten Raum mit definierter Beleuchtung durchgeführt werden und ich könnte einige weitere Eigenschaften einbeziehen wie die Verzeichnung. Worum es mir geht, ist die Offenlegung des Testverfahrens und der Auswertung (Artikel "Vorgehen bei Objektivtests") sowie der Grundlagen (dieser Artikel).
, 24.04.2019.