Vorgehen bei Objektivtests
Ohne detaillierte Angaben über das Vorgehen halte ich Tests für nicht aussagekräftig. Objektivtests führe ich aktuell so durch:
- Wegen den erforderlichen Entfernungen fotografiere ich im Freien. Dazu muss es praktisch windstill sein, damit Kamera und Testmotiv nicht bewegt werden.
- Auf den Objektiven ist eine Streulichtblende und es scheint keine Sonne auf die Frontlinse. Die Sonne scheint auch nicht auf das Testmotiv, damit dort keine unerwünschten Lichtreflexe entstehen. Ich bevorzuge bewölkte Tage oder fotografiere aus/in den Schatten.
- Die Kamera ist eingestellt auf den ISO-Wert, der die höchste Bildqualität gewährleistet. Das ist der niedrigste oder zweitniedrigste.
- Die Kamera ist befestigt auf einem stabilen Stativ (Manfrotto 055CB mit Getriebeneiger Manfrotto 410), die Mittelsäule ist nicht ausgezogen. Ich stecke eine Wasserwaage in den Blitzschuh und richtete die Kamera über den Getriebeneiger senkrecht aus.
- Den Bildstabilisator stelle ich ab, wie üblich beim Fotografieren vom Stativ.
- Früher stellte ich die Kamera in 100-facher Brennweite vor dem Testmotiv auf. Das halte ich nicht mehr für praxisorientiert. Hierbei wird vom Motiv in etwa die 100-fache Sensorfläche erfasst. Bei Vollformat (Kleinbild) sind das 2,40 × 3,60 Meter, was in Ordnung ist. Bei einem Smartphone-Sensor von beispielsweise 5,16 mm × 6,25 mm würde bei dieser Vorgabe nur noch eine Fläche von etwa 52 × 63 Zentimeter erfasst. Statt dessen fotografiere ich eine Fläche von etwa 1,75 × 2,10 Meter, falls das Bildseitenverhältnis 4/3 ist. Je kleiner der Sensor, desto kleiner wird der Abbildungsmaßstab. Dafür wird stets die gleiche Motivfläche erfasst. Dass dies praxisgerecht ist, erläutert der Artikel "Sensorgröße und Auflösungsvermögen der Objektive".
- An einer senkrechten Fläche – ein Tor oder eine Wand – befestige ich fünf 1951 USAF resolution test charts. Eines ist in der Mitte des Bilds und je eines an den vier Ecken. Das gesamte Bildfeld inklusive der Testcharts ist an allen Stellen gleich hell beleuchtet. Mit einer Spotbelichtungsmessung kann ich das überprüfen.
- Ich kontrolliere die vom Autofokus eingestellte Entfernung über die digitale Sucherlupe bei hoher Vergrößerung, beispielsweise 14-fach. Die Lupe zeigt feine Linien der Testcharts. Eine ungenaue Entfernungseinstellung ist so gut zu erkennen. Falls erforderlich, korrigiere ich sie manuell.
- Den Verschluss löse ich mit einen Kabelauslöser aus. Bei Spiegelreflexkameras benutze ich die Spiegelvorauslösung, bei einer spiegellosen Kamera ist das weder möglich noch erforderlich. Der Kabelauslöser verhindert Vibrationen, wie sie entstehen durch Drücken auf den Auslöser mit einen Finger.
- Ich fotografiere mit jeder Blende der Objektive je ein Bild von der größten bis zur kleinsten in ganzen Stufen.
- Die Testbilder lasse ich Adobe Photoshop Lightroom konvertieren mit der Nullwert-Vorgabe, die insbesondere die Bilder nicht schärft und nicht den Kontrast vergrößert, wie das bei der Standard-RAW-Konvertierung üblich ist.
- In der Lightroom-Vergleichsansicht vergleiche ich anschließend bei 100 % die kleinsten Blöcke der Testcharts in der Bildmitte und in der linken oberen Bildecke.
Abbildung: Testaufbau bei Objektivtests.
Abbildung: Testbild bei Objektivtests. Der andere Weißabgleich gegenüber dem obigen Testaufbau-Bild resultiert daraus, dass der Testaufbau mit einem Smartphone fotografiert wurde und das Testbild mit einer Micro Four Thirds-Kamera.
Anmerkungen
Dieses Vorgehen reicht für meine Praxis, vor allem steht fest, wie die Objektive getestet wurden und ich kann Objektive vergleichen, die ich an verschiedenen Tagen testete. Was problematisch bleibt:
- Die Helligkeit des Tageslichts kann schwanken von Test zu Test oder Aufnahme zu Aufnahme, was den Motivkontrast verändert, der einen Einfluss hat auf das Resultat.
- Mir können Fehler unterlaufen: Die Sensorebene ist nicht parallel zum Testmotiv, die Kamera wackelt, die Entfernung ist nicht präzise eingestellt usw.
- Viele wichtige Eigenschaften der Objektive sind hiermit nicht getestet, beispielsweise die chromatische Aberration, die Vignettierung, die Verzeichnung, die Kontrastwiedergabe, die Streulichtempfindlichkeit usw.
Trotz der Test-Charts lassen die Ergebnisse keine quantitativen Aussagen über die Objektivqualität zu. Sie reichen mir jedoch zum Trennen der "Spreu vom Weizen" und im Idealfall kann ich das Objektiv testen, das ich kaufe.
, 23.10.2014.
Letzte Bearbeitung: 07.04.2018.