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Fotografieren (Praxis)

Die eigenen Objektive testen

Hier steht, wie ich meine Objektive teste. Ich will

Was die Tests herausfinden und was nicht

Ich kann aufgrund fehlenden Equipments keine Aussage treffen über die tatsächliche optische Qualität der Objektive, die bestimmt ist durch Eigenschaften wie Auflösungsvermögen, Kontrastwiedergabe, Streulichtempfindlichkeit und Ausprägung der Abbildungsfehler. Meine Tests sind deshalb nicht reproduzierbar und liefern keine Werte, die mit anderen standardisierten Tests verglichen werden können.

Ich kann jedoch zwei Objektive vergleichen und sagen, welches besser ist, welches schlechter und den subjektiven Grad des Qualitätsunterschieds benennen oder ob beide praktisch gleich gut sind. Außerdem weiß ich anschließend, ob die offene Blende ausreichende Qualität liefert oder ob ich mindestens eine oder zwei Stufen abblenden muss und ab welcher Blende die Beugung die Bildqualität deutlich verschlechtert.

Im wesentlichen teste ich den visuellen Eindruck von Schärfe und Kontrast. Die Tests sind für meine Praxis hinreichend.

Prinzipielle Probleme/Unsicherheiten

Bei einem Objektivtest über ein an der Kamera befestigtes Objektiv gibt es folgende Probleme:

Kamera und Konvertierung der Sensordaten in ein Bild sind zwei "Artefakte", die das Ergebnis beeinflussen nebst menschlichen und technischen Unzulänglichkeiten. Trotzdem ist ein Praxistest nicht unsinnig: (Nur) Mit meiner Kamera entstehen die Bilder.

Aufgrund der vielen Variablen sollte ich nicht Testfotos, die ich später fotografierte, mit denen eines früheren Zeitpunkts vergleichen, vielleicht weil ich wissen will, ob mein neuestes Objektiv besser ist als eines, das ich vor 5 Jahren kaufte. In diesem Fall teste ich beide Objektive erneut unter den gleichen Bedingungen.

(Nur) Ein entsprechend ausgestattetes Labor (vielleicht das physikalische Institut einer Universität), das "redlich" vorgeht, kann die optische Qualität der Objektive zuverlässig bewerten. Kaufe ich aufgrund eines solchen Tests ein Objektiv, ist ein eigener Test trotzdem anzuraten: Es wurde nicht das Objektiv getestet, das ich kaufte; es kann Abweichungen geben in der Produktion oder das Objektiv wurde während des Transports beschädigt.

Wie ich fotografiere

Ich teste ein Objektiv (an einer Spiegelreflexkamera) für 1 bis 3 Entfernungen:

  1. Entfernung in 100-facher Brennweite (Standardtest): Unabhängig von der Brennweite ist die erfasste Fläche etwa 100 mal so groß wie der Sensor, bei meiner Kamera etwa 2,40 × 1,60 Meter. Kurt Dieter Solf empfiehlt mindestens 40 Brennweiten [SolfFoto Seite 226].
  2. 1000-fache Brennweite
  3. 10-fache Brennweite
  4. Bei Zoomobjektiven kürzeste, längste und mittlere Brennweite. Die mittlere Brewnnweite ist die kürzeste plus (längste minus kürzeste) durch 2 = (kürzeste + längste) / 2. Beispiel: Bei einem 24 - 70 mm würde ich folgende Brennweiten testen: 24 mm, (24 mm + 70 mm) / 2 = 47 mm und 70 mm. Vermutlich sind 47 mm nicht präzise einzustellen, es reicht aus, einen Wert von etwa 50 mm einzustellen.

Ich sollte bei Makroobjektiven zusätzlich drei Abbildungsmaßstäbe testen: 1 : 10, 1 : 5 und 1 : 1.

Testaufbau

Wie ich die Bilder auswerte

Die Bilder werte ich aus in Adobe Photoshop Lightroom (aktuell Version 3.2). Für die Konvertierung der Sensordaten in ein Bild (1 : 1-Vorschau) benutze ich eine Vorgabe, die weitestgehend keine "Optimierungen" vornimmt, wie das üblich ist (und sinnvoll für "normale" Bilder). Insbesondere werden keine Schärfung und Objektivkorrekturen vorgenommen sowie der Kontrast nicht verstärkt.

Abbildung: Lightroom-Vorgabe "Allgemein - Nullwert". Durch diese Vorgabe werden die Fotos nicht geschärft und der Kontrast nicht gesteigert.

Die folgenden Abbildungen zeigen den Unterschied zwischen "Nullwert" und Standardkonvertierung:

Abbildung: Unterschied zwischen Nullwert- und Standardkonvertierung in Lightroom. Das erste Bild wurde mit der Vorgabe "Nullwert" konvertiert, das zweite ohne Einstellungen (mit der Standardvorgabe des RAW-Konverters). Für die Praxis ist es in Ordnung, dass die Testcharts (USAF 1951) nicht exakt verteilt sind, insbesondere das mittlere ist unterhalb der Bildmitte.

Die Bilder betrachte ich im Bibliotheksmodul in der Vergleichsansicht (zwei Fotos auswählen und den Buchstaben C drücken) bei 100 Prozent (1:1). Diese zeigt 2 Fotos: Den "Kandidaten" und eine "Auswahl". Verschiebe ich ein Bild, wird das andere um den gleichen Betrag verschoben und ich kann so ohne weitere Arbeit in zwei unterschiedlichen Bildern die gleichen Bildbereiche vergleichen. Ich habe Lightroom so eingestellt, dass es die Objektiv- und Belichtungsdaten beider Bilder anzeigt.

Abbildung: Vergleichsansicht in Lightroom. Seitenleisten und Menüs sind ausgeblendet (Tab und zwei Mal F). Ein Klick auf die Abbildung zeigt die Originalgröße. Die Brennweiten beider (nominellen) 50 mm-Objektive sind nicht identisch, daher die leicht unterschiedlichen Bildgrößen und Versetzung der Ausschnitte.

Über den Navigator klicke ich der Reihe nach in die relevanten Bereiche: In die Bildmitte und die vier Ecken. In der Vergleichsansicht werden darauf hin die angeklickten Bereiche beider Bilder angezeigt.

Abbildung: Navigator. Der weiße Rahmen rechts oben zeigt an, welcher Bildausschnitt am Bildschirm in 100 %-iger Größe zu sehen ist. Rahmen und Ausschnitt werden schnell verschoben durch Mausklick auf die Zielstelle (langsamer durch Drag&Drop).

Herausfinden der Eigenschaften

Bei den Tests vergleiche ich zuerst die gleichen Blenden der unterschiedlichen Objektive, anschließend alle Blenden eines Objektivs (des gleichen Objektivs), und finde so jene, die eine akzeptable Schärfe liefern.

Praxisbeispiel

Mein 90 mm-Makroobjektiv ging während meines diesjährigen Urlaubs kaputt. Ich habe noch eines mit 185 mm Brennweite und im Urlaub stellte sich heraus, dass für Makroaufnahmen in Gebäuden 50 mm Brennweite praktischer sind als 90 mm. 50 mm benötige ich auch für Fernaufnahmen und brauche ich im Makrobereich mehr Abstand, kann ich das 185 mm-Makroobjektiv benutzen. Ich kaufte deshalb ein 2,8/50 mm-Makroobjektiv mit der Absicht, dies anstelle des 1,4/50 mm-Normalobjektivs einzusetzen, falls dessen hohe Lichtstärke nicht erforderlich ist; für die Landschaftsfotografie reicht Lichtstärke 2,8 (und weniger) aus. Meine Frage lautete: Kann ich bedenkenlos das 1,4/50 mm-Objektiv zuhause lassen und stattdessen das 2,8/50 mm-Objektiv mitnehmen?

Durch den Vergleich der Bilder, die ich in 100-facher Brennweiten-Entfernung fotografierte, stellte ich fest: Das 50 mm-Makroobjektiv ist bei offener Blende etwas besser als das 50 mm-Fernobjektiv bei gleicher (um 2 Stufen geschlossener) Blende. Dies ist durch Klick auf die obere Abbildung der Vergleichsansicht zu erkennen (darauf achten, dass der Webbrowser die Anzeige nicht einpasst, d.h. das Bild verkleinert oder vergrößert). Ab Blende 4 sind beide gleich gut.

Bei 1000-facher Brennweite ist das 1,4/50 mm etwas besser bei den Blenden 2,8 und 4, ab Blende 5,6 sind die Ergebnisse gleich; bei der Landschaftsfotografie benutze ich meist kleinere Blenden als 4, insofern spielt das keine Rolle.

In einer Entfernung der 10-fachen Brennweite ist das Makroobjektiv bei allen Blenden besser, besonders an den Bildrändern – andernfalls wäre das ein Grund zur Rückgabe.

Der Test beruhigte mich in der Hinsicht (kein Umtausch erforderlich): Das 50 mm-Makroobjektiv kann das 50 mm-Fernobjektiv ersetzen, sofern ich nicht die größere Lichtstärke benötige.

Das Ergebnis für 5 Meter Entfernung in einer Tabelle zusammengefasst, ich testete auch mein 18-70 mm Zoomobjektiv mit (dessen Bildschärfe sich als recht gut herausstellte):

ObjektivSchärfste Abbildung bei BlendeDeutliche Unschärfe durch Beugung ab Blende
Nikon AF Nikkor 50mm 1:1.4 D4,016
Sigma 50 mm F2.8 EX DG Macro5,616
Nikon AF-S Nikkor 18-70mm 1:3.5 @ 50 mm5,622

Anmerkung zur Beugung

Der Test bestätigte: Die Beugung ist kein theoretisches Problem. Kleinere Blenden als 16 (22) sollte ich bei diesen Objektiven nicht einstellen, außer ich benötige die Schärfentiefe.

Abbildung: Beugung – Extrembeispiel. Die Abbildung zeigt, dass bei Blende 32 die Abbildungsqualität deutlich schlechter ist als bei Blende 5,6. Zu berücksichtigen ist: Dies sind Bildschirmschnappschüsse bei 100 % Bildgröße und einer Konvertierung ohne Schärfen- und Kontrastverstärkung; insbesondere sollten RAW-Bilder etwas geschärft werden.

Anmerkung zu Blende 1,4

Die Blende 1,4 meines 50 mm-Objektivs eignet sich für die "bildnerische" Fotografie, nicht für Aufnahmen, die scharf sein müssen. Es gibt gute Gründe für eine hohe Lichtstärke, ich werde Blende 1,4 jedoch nur benutzen, falls es sein muss oder ich das Weiche will.

Abbildung: Vergleich zwischen Blende 1,4 und 2,0. Die nächst kleinere Blende 2,0 ist deutlich kontrastreicher (Bildschirmschnappschuss bei 100 %, RAW-Konvertierung ohne Schärfung und Kontrastanhebung).

Elmar Baumann, 05.09.2010.

Letzte Bearbeitung: 06.04.2021.

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