Objektive und Perspektive
Die Perspektive – ein Bild von räumlichen Objekten auf einer Ebene – wird alleine bestimmt vom Abstand zum Motiv, nicht durch die Brennweite.
Will ich, dass mein Motiv auf dem Bild eine bestimmte Größe hat, erreiche ich das mit kurzen Brennweiten durch kleine Abstände, mit langen durch große Abstände. Mit dem Abstand verändere ich die Größenverhältnisse: Je näher ich an einen Gegenstand herangehe, desto größer erscheint er im Vergleich zu weiter entferntem. Eine Blume kann so groß erscheinen wie ein Baum, der weiter hinten steht, gehe ich nahe genug heran an die Blume.
Aufnahmeabstand und Perspektive: Zwei Blumen – eine kleine räumlich vor einer großen – werden aus zwei verschiedenen Abständen fotografiert. In beiden Fällen soll die hintere große Blume gleich groß abgebildet werden. Oben: Aus größerer Entfernung mit längerer Brennweite wird die größere Blume auch größer abgebildet als die kleinere. Unten: Aus geringerer Entfernung mit kürzerer Brennweite wird die kleinere Blume, die näher am Objektiv ist, größer abgebildet als die größere.
Nahe Gegenstände erscheinen unverhältnismäßig größer als ferne und überdecken diese. Ist vor mir ein Haus mit 3 Stockwerken und ich sehe ich eine Frau halb so groß wie das Haus, weiß ich: Die Frau steht vor dem Haus und was ich sehe, spielt sich ab in drei Dimensionen. Will ich den Raumeindruck steigern, stelle ich nahes fernem gegenüber und benutze dazu ein Weitwinkelobjektiv, das mit seinem großen Bildwinkel viel erfasst vom Hintergrund.
Soll die wirkliche Größe erahnt werden, fotografiere ich mit dem Teleobjektiv aus großer Entfernung. Bedingt durch die weite Entfernung erscheinen die Größenverhältnisse genauer und das Motiv sieht "gedrängter" aus, Menschen und Autos erscheinen klein im Vergleich zu Bergen und Hochhäusern. Beispiele sind Fotos von Andreas Feininger, der während der Jahre um 1940 New York und Chicago mit langbrennweitigen Objektiven fotografierte. Auf diesen Bildern sind Menschen, Autos und Schiffe klein vor Hochhäusern. Die imposante Höhe der Wolkenkratzer lässt sich erahnen.
Porträtiere ich, sind leichte Teleobjektive die erste Wahl. Weitwinkelobjektive erzwingen einen nahen Abstand und bilden nahe stehende Körperteile wie die Nase überproportional groß ab, was meist ungünstig ist. Porträtobjektive haben Brennweiten um 80 mm bis 100 mm bezogen auf das Kleinbildformat 24 mm x 36 mm.
Öfter lese ich, Weitwinkelobjektive "dehnen" den Raum und Teleobjektive "ebnen" diesen ein. Ich kann wenig anfangen mit solchen Vereinfachungen, die zudem nicht allgemeingültig sind, wie der Artikel "Ändert die Brennweite die Perspektive?" zeigt. Für einige Motive benutze ich bevorzugt bestimmte Brennweiten, beispielsweise für Porträts oder Stillleben, sie sorgen aufgrund bekannter Größe des Motivs für günstige Abstände und Bildwinkel. Der Bildwinkel bestimmt, wie groß das Motiv im Verhältnis zur Bildfläche erscheint und wieviel vom Hintergrund auf dem Bild zu sehen ist. Sonst erblicke ich meine Motive oder "erlaufe" sie, bis sie mir fotogen erscheinen, dabei ist die Fototechnik praktisch bedeutungslos. Das Objektiv spielt nur insofern eine Rolle, als es mir den passenden Bildwinkel zur Verfügung stellt am fotogenen Standort. Ansel Adams schreibt:
Es ist am effektivsten, wenn man zuerst einen geeigneten Aufnahmeabstand bestimmt, um zwischen den Objekten in der Nähe und anderen weiter entfernten die gewünschten Größenverhältnisse herzustellen. Und dann wählen wir ein Objektiv, das von diesem Standort aus das richtige Motivfeld, praktisch einen Bild-"Ausschnitt", auf den Film "bannt" [AdamsKamera].
, 08.07.2005
Letzte Bearbeitung: 25.06.2012