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Herleitungen von Fotoformeln

Abbildungsmaßstab berechnen (Herleitung)

Der Abbildungsmaßstab ist die Antwort auf die Frage: Wie oft passt der Gegenstand in sein Bild? Kennt man den Abbildungsmaßstab, kann man sagen, wie lang eine Strecke auf dem Bild in Wirklichkeit ist, vorausgesetzt diese Strecke war in der Entfernung, mit der der Abbildungsmaßstab berechnet wurde und verlief auf einer Ebene parallel zum Sensor (Film).

Definition

Der Abbildungsmaßstab β (griechischer Buchstabe klein Beta) ist das Verhältnis von der Bildgröße B (Bild auf Sensor, Film) zur Gegenstandsgröße G (fotografierter Gegenstand):

(1) β = B ⁄ G

Teilt man die Bildgröße durch den Abbildungsmaßstab, weiß man wie groß der abgebildete Gegenstand ist (Formel nach G auflösen):

(2) G = B ⁄ β

Überlegungen

B und G sind größer als Null, sonst gäbe es kein Bild. Man unterscheidet (B ⁄ G = β kann sein):

  • Der Abbildungsmaßstab ist größer als Eins, wenn die Bildgröße B größer ist als die Gegenstandsgröße G. Mit anderen Worten: Der Gegenstand wird vergrößert abgebildet. Vergrößerte Aufnahmen werden als Makroaufnahmen bezeichnet. (Definition nach Brockhaus-Enzyklopädie [Brockhaus19] und durch die Autoren Kurt Dieter Solf sowie Otto Croy).
  • Der Abbildungsmaßstab ist kleiner als 1. Die Bildgröße ist kleiner als die Gegenstandsgröße. Anders ausgedrückt: Der Gegenstand wird verkleinert abgebildet. Das ist bei Nah- und Fernaufnahmen der Fall. Die Grenze zwischen Nah- und Fernaufnahme ist nicht einheitlich definiert. Ich benutze den Begriff Nahaufnahme für Abbildungen im Abbildungsmaßstabsbereich von 0,1 bis 1. Kleinere Maßstäbe als 0,1 bezeichne ich als Fernaufnahmen.
  • Der Abbildungsmaßstab ist gleich 1. Bild- und Gegenstandsgröße sind gleich, der Gegenstand wird in seiner wirklichen Größe auf dem Sensor (Film) abgebildet.

Der Abbildungsmaßstab wird dezimal angegeben oder als Bruch, der mit der kleineren Zahl gekürzt ist. Beim Bruch kann man so direkt ablesen, wieviel mal kleiner oder größer als der Gegenstand das Bild ist. 1 : 5 bedeutet, das Bild (die Abbildung) ist 5 mal kleiner als der Gegenstand, 5 : 1 bedeutet, das Bild ist 5 mal größer.

Abbildungsmaßstab anhand der Gegenstandsweite

In diesem Artikel wird der Abbildungsmaßstab mit der Gegenstandsweite berechnet. Diese ist nicht die Entfernungseinstellung am Objektiv. Die Entfernungseinstellung ist der Abstand des Motivs von der Sensorebene (Filmebene). Die Gegenstandsweite wird ab der gegenstandsseitigen Hauptebene gemessen und nicht ab dem Sensor (Film) wie die Entfernungseinstellung. Aus der Entfernungseinstellung lässt sich die Gegenstandsweite berechnen (Symbollegende). Bei kleinen Abbildungsmaßstäben kann man Entfernungseinstellung und Gegenstandsweite gleich setzen.

Der Abbildungsmaßstab gilt nur für die scharf eingestellte Gegenstandsebene.

Herleitung:

Abbildung 1 zeigt die Konstruktion eines Bilds von einem Gegenstand, der auf der optischen Achse steht.

Bedeutung der Symbole in folgender Abbildung.
Symbol Bedeutung
α (griechischer Buchstabe klein Alpha) gleich großer Winkel auf Bild- und Gegenstandsseite
B Bildgröße
b Bildweite
F Brennpunkt
f Brennweite
G Gegenstandsgröße
g Gegenstandsweite

Abbildung 1:Abbildung eines Gegenstands. Der Gegenstand G steht auf der (waagrechten) optischen Achse. Bildseitige und gegenstandsseitige Hauptebene (Senkrechte in der Mitte) sind zur Veranschaulichung vereint. Strahlen parallel zur optischen Achse gehen durch den bildseitigen Brennpunkt. Strahlen durch den optischen Mittelpunkt (Schnittpunkt der optischen Achse mit den Hauptebenen) werden nicht gebrochen. Die Bildweite b ist der Abstand des Bilds von der bildseitigen Hauptebene, die Gegenstandsweite g der Abstand des Gegenstands von der gegenstandsseitigen Hauptebene.

Der Abbildungsmaßstab β ist das Verhältnis Bildgröße zur Gegenstandsgröße:

(3) β = B ⁄ G

Wegen der Ähnlichkeit der Dreiecke (Abbildung 1) gilt die Tangens-Beziehung:

(4) B ⁄G = b ⁄ g
(auch g ⁄ G = b ⁄ B)

Die Linsengleichung

(5) 1 ⁄ f = 1 ⁄ b + 1 ⁄ g

aufgelöst nach b:

(6) b = (f * g) ⁄ (g − f)

(6) in (4) eingesetzt:

(7) B ⁄ G =
((f * g) ⁄ (g − f)) ⁄ g =
f ⁄ (g − f)

Kurz:

(8) β = f ⁄ (g − f)

(9) Abbildungsmaßstab =
Brennweite ⁄
(Gegenstandsweite − Brennweite)

Abbildungsmaßstab anhand der Auszugsverlängerung

Die Auszugsverlängerung des Objektivs ist die Bildweite abzüglich der bildseitigen Brennweite.

(10) Bildweite =
Brennweite + Auszugsverlängerung

(11) Auszugsverlängerung =
Bildweite − Brennweite

Ist ein Motiv näher als Unendlich entfernt, ist die Bildweite größer als die Brennweite. Das wird erreicht durch Ausziehen (= weiter weg vom Sensor, Film bringen) des Objektivs (man kann auch die Brennweite verkürzen). Ist das Motiv unendlich weit entfernt, ist der Auszug gleich Null und die Bildweite gleich der Brennweite. Durch den Auszug wird die Bildweite um diesen vergrößert.

Anwendung: Das Objektiv ist auf Unendlich eingestellt und an einem Balgengerät oder an Zwischenringen befestigt. Die Länge des Balgengeräts bzw. der Zwischenringe ist der Auszug.

Ist das Objektiv nicht auf Unendlich eingestellt, berechnet man mit der Linsengleichung die Bildweite anhand der Gegenstandsweite und zieht davon die Brennweite ab. Das Ergebnis wird zum Auszug addiert.

In Abbildung 2 ist der Auszug als x eingezeichnet. Erklärung der Symbole:

Bedeutung der Symbole in folgender Abbildung.
Symbol Bedeutung
α (griechischer Buchstabe klein Alpha) gleich großer Winkel auf der Bildseite
B Bildgröße
b Bildweite
F Brennpunkt
f Brennweite
G Gegenstandsgröße
g Gegenstandsweite
x Auszug

Abbildung 2:Abbildung eines Gegenstands, Auszug (nicht auf ∞ eingestellt). Erklärung siehe Abbildung 1. Der Auszug x ist der Abstand des Bilds vom bildseitigen Brennpunkt F. Er ist die Differenz Bildweite b minus bildseitige Brennweite f.

Mit Hilfe der Winkelbeziehungen in ähnlichen Dreiecken und dem Tangens kann der Abbildungsmaßstab = B/G hergeleitet werden (siehe Abbildung 2):

(12) f ⁄ G = x ⁄ B
(auch B ⁄ G = x ⁄ f)

Umgestellt:

(13) B ⁄ G = x ⁄ f = β

In Worten:

(14) Abbildungsmaßstab =
Auszugsverlängerung ⁄ Brennweite

Nahlinsen

Nahlinsen sind Sammellinsen (Lupen), die auf das Objektiv geschraubt werden und dessen Brennweite verkürzen. Sie verringern die Nahgrenze des Objektivs, man kann näher ans Motiv herangehen.

Die Formeln für Nahlinsen gelten nur, wenn diese dicht an der Frontlinse des Objektivs sitzen. Das ist in der Praxis die Regel. Nahlinsen verkürzen die Objektivbrennweite, die Bildweite bleibt gleich. Da der Abbildungsmaßstab Auszug ⁄ Brennweite ist, wie vorher gezeigt, erhält man bei gleicher Gegenstandsweite eine größere Abbildung als ohne Nahlinse (Der Zähler = Auszug bleibt gleich und der Nenner = Brennweite wird kleiner. Ergebnis: Größerer Bruch = größerer Abbildungsmaßstab).

Gegenstandsweite in Abhängigkeit von der Bildweite

Löst man die Linsengleichung nach der Gegenstandsweite auf, erhält man:

(15) g = f * b ⁄ (b − f)

Mit Nahlinse vor dem Objektiv bleibt die Bildweite konstant, sie wird nur über die Entfernungseinstellung verändert. Die Brennweite aber verringert sich. Rechnerisch bedeutet das: Der Zähler des Bruchs wird kleiner und der Nenner größer → Die Gegenstandsweite (der Bruch) wird kleiner → Mit Nahlinse vor dem Objektiv ist man näher beim Motiv.

Mit einer Nahlinse davor kann das Objektiv nicht auf Unendlich eingestellt werden: Bei Unendlich ist der Objektivauszug genauso lang wie die Brennweite. Die Brennweite wird durch die Nahlinse verkürzt. Die minimale Bildweite ist die alte Brennweite und länger als die neue Brennweite um

(16) alte Brennweite minus neue Brennweite

Die längere Bildweite wirkt wie eine Auszugsverlängerung für die neue Brennweite. So funktionieren Nahlinsen.

(17) Gewinn an Auszugsverlängerung =
Alte Brennweite − Neue Brennweite

Die Brechkraft einer Linse bzw. eines Objektives wird in Dioptrien angegeben. Die Dioptrie D ist der Kehrwert der Brennweite f in Meter:

(18) D = 1 ⁄ f

Montiert man mehrere Linsen unterschiedlicher oder gleicher Brennweite unmittelbar hintereinander, kann man mit der Dioptrienformel die Gesamtbrennweite ermitteln: Man zählt die Dioptrien der einzelnen Linsen zusammen und erhält die Gesamt-Brechkraft. Die Gesamtbrennweite der zusammengesetzten Linsen ist der Kehrwert der Gesamt-Brechkraft.

Beispiel: Es werden drei Nahlinsen mit den Dioptrien 1, 2 und 4 aufeinandergeschraubt. Die Gesamtdioptrienzahl ist 1 + 2 + 4 = 7. Die Gesamtbrennweite ist 1 ⁄ 7 Meter, rund 143 mm.

Je größer die Gesamt-Dioptrienzahl der Linsenkombination ist, desto kürzer ist die Brennweite:

(19) Brennweite = 1 ⁄ Dioptrien

Ein Bruch (= Brennweite) wird umso kleiner, je größer sein Nenner (= Dioptrien) ist.

Nahlinsen (mit hoher Brechkraft) können die Abbildungsqualität mindern. Die beste Bildqualität erzielt man mit sogenannten Vorsatzachromaten. Das sind zwei unmittelbar aufeinander montierte Linsen: Eine Zerstreuungs- und eine Sammellinse.

Die Gesamtbrennweite eines Objektivs mit Nahlinse ist der Kehrewert der Summe seiner Brechkraft plus der Brechkraft der Nahlinse.

Beispiel: Ein 50 mm-Objektiv hat eine Brechkraft von 1 ⁄ 0,05 = 20 Dioptrien. Setzt man davor eine Nahlinse mit 5 Dioptrien, hat die Kombination 25 Dioptrien Brechkraft (20 + 5). Die Brennweite ist 1 ⁄ 25 = 0,04 Meter (40 mm).

Bedeutung der folgenden Symbole.
Symbol Bedeutung
β Abbildungsmaßstab
b Bildweite
f(ges) Brennweite Objektiv + Nahlinse
f(N) Brennweite Nahlinse
f(O) Brennweite Objektiv
g Gegenstandsweite
g(O) Am Objektiv eingestellte Entfernung
x Auszugsverlängerung

Hinführende Formeln:

Abbildungsmaßstab anhand der Auszugsverlängerung:

(20) β = x ⁄ f

Bildweite, abgeleitet aus der Linsengleichung:

(21) b = f * g ⁄ (g − f) =
f(ges) * g ⁄ (g − f(ges))

Gesamtbrennweite Objektiv + Nahlinse:

(22) 1 ⁄ f(ges) =
1 ⁄ f(O) + 1 ⁄ f(N) =
f(O) * f(N) ⁄ (f(O) + f(N))

Auszug x:

(23) x = b − f(ges)

Linsengleichung nach Gegenstandsweite aufgelöst:

(24) g = f(ges) * b ⁄ (b − f(ges))

Abbildungsmaßstab bei Nahlinsen, Objektiv nicht auf Unendlich

In Gleichung (20) für den Auszug Gleichung (23) und für die Brennweite Gleichung (22) einsetzen. In Gleichung (23) für die Bildweite b Gleichung (21) und für die Gesamtbrennweite f(ges) Gleichung (22) einsetzen.

Das ist der Abbildungsmaßstab eines Objektivs mit Nahlinsen, das nicht auf Unendlich eingestellt ist:

(25) β = (f(O) * (g(O) + f(N)))
⁄ (f(N) * (g(O) − f(O)))

Abbildungsmaßstab bei Nahlinsen, Objektiv auf Unendlich

Bei Einstellung auf Unendlich ist die Bildweite der Objektivbrennweite gleich: b = f(O). Diese Bildweite in Gleichung (23) eingesetzt: x = f(O) − f(ges). Dies in Gleichung (20) eingesetzt und für die Brennweite Gleichung (22) in Gleichung (20) ist der Abbildungsmaßstab mit vorgesetzter Nahlinse, wenn Objektiv auf Unendlich eingestellt ist:

(26) β = f(O) ⁄ f(N)

Wörtlich:

(27) Abbildunsmaßstab =
Objektivbrennweite ⁄ Nahlinsenbrennweite

Gegenstandsweite bei Nahlinsen, Objektiv nicht auf Unendlich

In die Gleichung (24) wird für die Gesamtbrennweite f(ges) Gleichung (22) eingesetzt und für die Bildweite b Gleichung (21).

Nach Umformung:

(28) g = f(N) * g(O)
⁄ (g(O) + f(N))

Gegenstandsweite bei Nahlinsen, Objektiv auf Unendlich

In Gleichung (24) setzt man für die Gesamtbrennweite f(ges) Gleichung (22) ein und für die Bildweite die Objektivbrennweite, die bei Unendlicheinstellung der Brennweite des Objektivs gleich ist.

(29) g = f(N)

Ist das Objektiv auf Unendlich eingestellt, ist die Gegenstandsweite gleich der Brennweite der Nahlinse. Die Gegenstandweite ist gleich, unabhängig von der Brennweite des Objektivs.

Der Abbildungsmaßstab ist größer bei Nahlinsen mit großer Dioptrienzahl. Gleichzeitig ist man näher am Motiv. Bei einer Nahlinse mit 5 Dioptrien (Brennweite 1/5 m = 0,2 m) ist die Gegenstandsweite 20 Zentimeter.

Man kann nicht davon ausgehen, die vorderste Linse des Objektivs ist 20 Zentimeter vom Motiv entfernt. Die Gegenstandsweite wird von der gegenstandsseitigen Hauptebene des Objektivs aus gemessen. Liegt die gegenstandsseitige Hauptebene außerhalb des Objektivs, ist die Frontlinse weiter vom Motiv entfernt als berechnet. Liegt die gegenstandsseitige Hauptebene innerhalb des Objektivs, ist die Objektivfrontlinse näher am Motiv.

In der Praxis eigenen sich längerbrennweitige Objektive oft besser zum Fotografieren mit Nahlinsen: Bei gleicher Motiventfernung wie mit kurzen Brennweiten erzielt man größere Abbildungsmaßstäbe. Man kann bei gleichem Abbildungsmaßstab weiter vom Motiv gehen.

Elmar Baumann.

Letzte Bearbeitung: 14.12.2005